Heute lässt mein Doc meine Wunde checken und ein neuer Abschnitt der Genesung beginnt. 23 Tage nach der Operation gibt mein Doc mich endlich für die Vollbelastung frei.
**Was bedeutet Vollbelastung eigentlich? **
Vollbelastung bedeutet, dass das Bein mit dem gesamten Körpergewicht belastet werden darf (kein Springen, Joggen etc.). Ich soll noch bis Dienstag warten und es langsam angehen lassen, aber ich bin definitiv dafür freigegeben. 23 Tage sind natürlich lächerlich. Angesichts der anfänglichen Verstimmungen aka „Der Sommer ist gelaufen“ ist es ein absoluter Segen für mich.
Zu Hause versuche ich zuerst, überhaupt mal auf einem Bein zu stehen. In Anbetracht der mentalen Blockade ist das nicht einfach. Ich probiere es in der Küche. Es klappt natürlich nicht. Also baue ich mir im Flur eine Waage auf und sehe nach, wie viel mein Kopf zulässt. 20 läppische Kilo, mehr sind nicht drin. Ich weiß aber: Wenn ich mich jetzt lange anstelle und rumheule, bringt mich das nicht weiter. Also mehr Druck! Es zieht in der Ferse, es ist ein Gefühl wie Stiche direkt in die Haut. Diese Belastung kennt mein Fuß wohl nicht mehr.
Ich stütze mich links und rechts mit den Armen an der Wand ab und versuche, auf einem Bein zu stehen. Ganz langsam merke ich, wie der Druck auf das kaputte Bein steigt. Dasselbe wiederhole ich auf der Waage. Einbeinig halte ich mich an zwei Türrahmen fest. Ergebnis: 50 kg… meine Arme fangen wohl noch 30 kg Last ab. Ich löse die Abstützung Finger für Finger, bis endlich 80 kg (mein Körpergewicht) auf der Waage stehen. Im ersten Moment spüre ich wieder dieses leichte Stechen und Ziepen der Nerven in der Ferse. Man kann sich das vorstellen wie das Gefühl, wenn man als Kind die Zündvorrichtung aus den Feuerzeugen ausbaut, um Freunde zu ärgern – oder selbst geärgert zu werden.
Wahnsinn – viel früher als gedacht stehe ich nun wieder auf meinem Bein. Das soll es aber noch nicht sein. „Wenn ich stehen kann, schaffe ich dann auch die ersten Schritte?“ – das ist die größte Überwindung für mich. Los geht’s: Ich stehe auf beiden Beinen und weiß jetzt, ich muss das gesunde Bein nach vorne stellen und dann nachziehen. Es kostet mich zehn Minuten, überhaupt mal den Schritt zu wagen. Aber ich muss da durch. Und es klappt! In Mini-Schritten laufe ich endlich wieder durch meinen Flur. Dieses Gefühl! Mir ist klar, ich muss es unbedingt dokumentieren. Wenn ich bald wieder halbwegs laufe, werde ich über diesen Schritt lachen.
Abends kommt meine Freundin – so motiviert wie ich bin, sage ich: Wir gehen jetzt eine Runde am Rhein spazieren. Anfänglich mit Krücken nehme ich die Last immer weiter raus. Irgendwann laufe ich dann wieder halbwegs – was ein Gefühl! Ohne Krücken! In diesem Moment fällt mir auch der Tipp meiner Physiotherapeutin ein, die mir schon zur Teilbelastung gesagt hat: „Vergiss nicht abzurollen.“ Gesagt – ausprobiert – es funktioniert!
Zur Feier des Tages und weil der Sommer doch nicht komplett verloren ist, buche ich direkt ein Hotel im Tessin! Ich bin wieder mobil – und vor allem unterwegs!